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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.
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Das neue Kulturgutschutzgesetz: Ist Kunst eine Wertanlage oder Kulturgut? – Teil 1 aus kulturpolitischer Perspektive

Kunst- und Kulturgüter sind wichtig für die kulturelle Identitätsbildung. 
Ob sie hierzu in ihrem Ursprungsland verbleiben sollten oder auch im Ausland als Kultur-Botschafter ihres Herkunftslandes wirken können, darüber lässt sich trefflich streiten.

Ein neues Gesetz soll in Deutschland künftig dafür sorgen, dass national bedeutsames Kulturgut besser vor Abwanderung geschützt wird. Bislang ist das in den jeweiligen Bundesländern geregelt. Hier gibt es Listen mit Kunstwerken, die nicht ausgeführt werden dürfen, weil sie als national wertvoll eingestuft sind. Das liegt daran, dass Kultur im föderalen System der Bundesrepublik Ländersache ist.

Der Bund hat jedoch besondere Aufgaben, wenn es um das gemeinsame Interesse wie den Kulturgutschutz geht. So ist die Regelung des Abwanderungsschutzes eine staatliche, im Grundgesetz festgeschriebene Aufgabe. Hierzu gibt es bereits seit 1955 ein Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung. Seither wurde es kaum geändert und gilt bislang nur für die Ausfuhr in Nicht-EU-Länder. Mit der Schaffung des EU -Binnenmarktes und dem Wegfall der Grenzkontrollen im Schengen Raum bietet das deutsche Recht aktuell jedoch keinen effektiven Schutz mehr.

Die Umsetzung der EU-Richtlinie vom Mai 2014 zum Kulturgutschutz und eine bessere Umsetzung der UNESCO-Konvention von 1970 haben nun den Anstoß zur Neugestaltung des Gesetzes von 1955 gegeben. Aktuell befindet sich die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters initiierte Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes in der internen Ressortabstimmung der Bundesregierung, ist also noch nicht final.

Ziel der Neuregelung ist es, den Kulturgutschutz zu stärken, der Einfuhr von illegalem Kulturgut entgegenzutreten sowie illegal ausgeführtes Kulturgut anderer Staaten zurück zu geben. Die systematische Plünderung von archäologischen Stätten und der illegalen Antikenhandel sind ein Problem – besonders Raubgrabungen wie derzeit in Syrien und dem Irak.

Gute Absichten und viel Hysterie
Trotz dieser guten Absichten hat die Neuregelung des Kulturgutschutzgesetzes in der deutschen Kunst- und Kulturszene für viel Kritik gesorgt. Aus Angst vor möglichen Einschränkungen durch das neue Gesetz ziehen einige Künstler und Sammler derzeit ihre Kunstschätze aus Deutschland ab oder drohen wie Hasso Plattner damit, sollte das neue Gesetz realisiert werden. Im Ausland werden oft viel höhere Preise für Kunst gezahlt als in Deutschland. Künstler und Sammler fürchten Gewinneinbußen und Vermögensverluste.

Erst kürzlich ist ein 1610 für Kaiser Rudolf II. angefertigter Pokal mit einen Schätzwert von zehn Millionen Euro daher ins Ausland gebracht worden, bevor das Land prüfen konnte, ob es sich um national wertvolles Kulturgut handelt. Auch in anderen EU Ländern, wo bereits strengere Regeln gelten, gibt es spektakuläre Versuche als national wertvoll eingestuftes Kulturgut trotz Ausfuhrverbot ins Ausland zu bringen. In Spanien sollte ein Portrait von Picasso mit einem Marktwert von 25 Millionen Euro über den Seeweg in die Schweiz geschmuggelt und dort gewinnbringend verkauft werden.

Um dies zu vermeiden und zu verhindern, dass bedeutende Objekte über Auktionen in London oder New York versteigert werden, die deutsche Museen dann für hohe internationale Preise zurückkaufen müssen, soll es künftig auch für die Ausfuhr innerhalb Europas Genehmigungspflicht für Werke einer bestimmten Alters- und Wertgrenzen geben.

Bisher ist im geltenden Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, was „national“ wertvolles Kulturgut ist. Es gibt dazu nur Empfehlungen der Kultusministerkonferenz, die jedoch nicht rechtverbindlich sind. Eine klarere Definition zu Wert- und Altersgrenzen kommt nun ins Gesetz und wird durch eine Rechtsverordnung-mit Zustimmung des Bundesrates- konkretisiert.
Sie betrifft den An- und Verkauf von Kulturgütern sowie deren Ein- und Ausfuhr. Schon jetzt ist für eine Ausfuhr in Staaten außerhalb der EU eine Ausfuhrgenehmigung für Kulturgut nach einheitlichen EU Alters- und Wertgrenzen erforderlich. Neu im Gesetz ist, dass auch für eine Ausfuhr innerhalb Europas ab bestimmten Alters- und Wertgrenzen eine Genehmigung eingeholt werden muss, die ausschließt, dass es sich um national wertvolles Kulturgut handelt. Die Praxis der Eintragung national wertvollem Kulturgut besteht seit 60 Jahren. Seither hat es nicht mehr als 2.700 Eintragungen gegeben. Und auch in Zukunft ist nicht damit zu rechnen.

Nicht jeder Krug auf dem Flohmarkt ist national wertvolles Kulturgut
Weite Teile des Kunsthandels, wie die gesamte Gegenwartskunst, werden durch die Altersgrenze von der Neuregelung also ausgenommen sein. Und auch die wenigsten Antiken sind national wertvolles Kulturgut, da sie die Wertgrenzen gar nicht erst erreichen. Und wenn, müssen die Experten der Sachverständigen-Ausschüsse der Länder erst noch entscheiden, dass es sich tatsächlich um national wertvolles Kulturgut handelt. Es gibt keine Beweislastumkehrung, wonach Kunsthändler und Sammler bei Überschreiten der Wert- und Altersgrenzen zu begründen hätten, warum ein Export genehmigt werden soll. Es ist Sache des Staates den Schutz der Kulturgüter zu rechtfertigen. Es besteht ein Regel-Ausnahmeverhältnis. Die Regel ist der freie Umgang mit Eigentum und die Ausnahme sind die gesetzlichen Schranken und Beschränkungen zum Wohle der Allgemeinheit. Die Eintragung als national wertvoll ist somit keine Enteignung und vom Bundesverwaltungsgericht als mit dem Grundgesetz vereinbar anerkannt.

Letztlich ist es wohl eine Haltungsfrage – Kunst als Wertanlage oder Kulturgut zu betrachten. Wir können einzelne Interessen, Kunstmarktpreise und Renditen jedoch nicht über den Zugang zu Kulturgut für die Allgemeinheit und den Schutz unseres kulturellen Erbes stellen.

Das neue Kulturgutschutzgesetz: Ist Kunst eine Wertanlage oder Kulturgut? – Teil 2 aus entwicklungspolitischer Perspektive

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