Jürgen Decke Schauspieler, Regisseur, und Coach Zur Zeit Künstlerischer Leiter am Theater Pfütze, Nürnberg Gastbeitrag, 11. September 2013 www.emanuel-woehrl-stiftung.de

Jürgen Decke

Nürnberg
Künstlerischer Leiter am Theater Pfütze

Jürgen Decke: Meine Top 10

1. Was ist Deine schönste Kindheitserinnerung?
A: Eine wirklich schöne Erinnerung: Ich werde vom Kindergarten abgeholt.
Ich steige zu Papa aufs Moped, die Arme fest um ihn geschlungen und die Nase im Wind (es gab noch keine Helmpflicht), gehts nach Hause.

2. Was gehört für Dich zu einem perfekten Tag?
A: Das Gefühl der Freude und Motivation am Anfang des Tages und das der Zufrieden- und Ausgeglichenheit am Ende des Tages.

3. Welche Deiner Schwächen findest Du sympathisch?
A: Genetisch bedingte und gelegentlich auftretende fränkische Grandlerzüge, die dann aber meistens sehr humorvoll hervorbrechen.

4. Was an der digitalen Revolution ist für Dich Fluch, was Segen?
A: Es gibt momentan noch viel Fluch daran: die Verwechslung von Information und Wissen; die Beschleunigung vieler Vorgänge führt zur Ablenkung vom Wesentlichen; Identitätsverwirrung und neue Suchtproblematiken; die unkontrollierte Datensammlung und der damit zusammenhängende Einbruch in die Privatsphäre; die Abhängigkeit von Technologie (was ist, wenn der Strom ausfällt?).
Positiv daran sind die vielen Möglichkeiten der Vernetzung; die zusätzlichen Kommunikationsinstrumente, z.B. Skype. Auch Wikipedia gehört für mich zu den guten Seiten, weil es mir oft eine erste Orientierung ermöglicht.

5. Was ist für Dich eine besonders schöne Zeitverschwendung?
A: Verschwendete Zeit find ich eigentlich gar nicht schön, aber meistens ist es ja zu spät, wenn man es merkt und dann hilft ärgern sowieso nix mehr. Z.B. vorm TV hängen bleiben und nicht merken, wenns genug ist. (Passiert mir Gott sei Dank nicht oft, weil ích selten Fernseh gucke, aber so geht es mir, wenn ich z.B. die eher dürftigen Interviews nach Fußballübertragungen doch noch anschaue)
Ist die Frage allerdings eher in Richtung Müßiggang zu verstehen, dann ist gute, relaxte Zeit keine Verschwendung, sondern wichtig und notwendig. Ich tue das u.a. gerne in der Sauna.

6. Gibt es ein Lied, ein Buch oder einen Film, welches/welcher Dein Leben nachhaltig beeinflusst hat?
A: All diese Künste haben mich beeinflusst und tun es ständig immer noch, sie sind Teil meines Berufs.
(Wäre eigentlich interessant mal seinen eigenen Kanon zusammenzustellen). Ein gutes Buch, das wir auf die Bühne bringen, dürfte ziemlich nachhaltig sein.
Auf Deiner Website habe ich gesehen, dass Dich „Der Junge im gestreiften Pyjama“ sehr beeindruckt hat. Das geht mir genau so. Es ist ein Werk, das auf unserer Theaterliste steht. Aktuell kann ich jedem auch die Bücher „Der Baron auf den Bäumen“ (Italo Calvino) und eins meiner absoluten Lieblingsbücher „Schiffbruch mit Tiger“  (Yann Martel) empfehlen. Die Verfilmung des letzteren („Life of Pi“) kommt für mich bei weitem nicht an den Zauber des Buches heran. Wird Zeit, dass wir ein Stück daraus machen.

7. Welches politische oder gesellschaftliche Projekt müsste schneller realisiert werden?
A: Die Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz, wie es der Deutsche Kulturrat fordert, findet meine volle Zustimmung. Die Bildungs- und Energiepolitk sind wichtige Bausteine auf dem Weg zur gesellschaftlichen Erneuerung. Das bedingungslose Grundeinkommen hat für mich sehr viel Potenzial und ich finde es wichtig, dass man sich mit diesen Ideen und Ansätzen ernsthaft auseinandersetzt.

8. Nürnberger Rostbratwürstl – mit oder ohne Senf? Oder gar Ketchup?
A: Brodwärschdd mit Kädschabbbammbe? Wer macht denn sowas! Hier bin ich gustatorisch konservativ: Senf! Als Experiment höchstens mal a Mässersbidsla Mährreddich dazzu.

9. Nenn uns eine Lebensweisheit oder ein Zitat, die/das dir viel bedeutet?
A: Immer wieder genial, F. Kuszs Haiku:
ziel
deä wech is es ziel
du redsd di leichd:
iich find inn wech ned

10. Theater ist …?
A: …es geht jemand über die Bühne und mindestens ein Mensch schaut zu. Theater ist eine der ältesten Kunstformate unserer Kultur.
Theater wird es immer geben. Es ist unvergänglich gerade wegen seiner permanenten Vergänglichkeit.
Es ist die menschennäheste Kunst und mit Musik oft auch die ergreifenste.