Ich habe den Vorsitz dieses Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AwZ) im Deutschen Bundestag sehr gerne wieder übernommen, vor allem aus zwei Gründen:
Die Entwicklungszusammenarbeit ist für mich zu einer wahren Herzensangelegenheit geworden und nachdem ich mich schon viele Jahre ehrenamtlich in Entwicklungsländern engagiert hatte, kann ich mich nun auch weiter auf politischer Ebene für die Belange der Menschen vor Ort einsetzen.
Zum anderen habe ich während der letzten Legislaturperiode das kollegiale Arbeitsklima im AwZ – auch über Fraktionsgrenzen hinweg – sehr zu schätzen gelernt. Wir alle kämpfen dafür, die Armut und das Leid in der Welt zu lindern.
Nur über das Wie muss eben manchmal diskutiert werden…
In den kommenden vier Jahren geht es nun für mich konkret darum, die gemachten Zusagen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Ich habe mich während der Koalitionsverhandlungen dafür stark gemacht, dass wir unsere Entwicklungspolitik zukunftsfähig machen und weiterhin ein Vorbild für unsere internationalen Partner bleiben. Für mich ist Entwicklungspolitik echte Zukunftspolitik.
Was viele nicht wissen: Der Entwicklungshaushalt ist der zweitgrößte Investitionshaushalt des Bundes. Dies zeigt die Wichtigkeit dieses Politikfeldes! Mit dem richtigen und wirksamen Einsatz der Mittel können wir weltweit sehr viel bewegen. Besonders wichtig ist hierbei auch, dass wir die Budgetzusagen aus dem Koalitionsvertrag einhalten – alles andere wäre ein falsches Signal an unsere Partner in der ganzen Welt.
Entwicklungspolitik neu denken
Die Entwicklungspolitik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Wir sind mittlerweile schon weit entfernt von der klassischen Entwicklungshilfe der 1980er und 1990er Jahre. Damals gab es Geber und Nehmer, Nord und Süd. Reiche Länder gaben Almosen an arme Dritte-Welt-Länder, halfen beim Brunnenbau und zogen sich nach getaner Arbeit wieder zurück. Schließlich gab es immer wieder neue Länder, die man unterstützen wollte, um auch eigene Interessen international voranzubringen.
Mittlerweile sprechen wir von der Entwicklungszusammenarbeit und verstehen die Kooperation mit unseren Partnerländern auch wirklich als eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Unser Ziel muss eine präventive internationale Zusammenarbeit sein, die Probleme erkennt und löst, bevor sie zu einem Flächenbrand werden. In diesem Sinne muss Entwicklungszusammenarbeit agieren statt zu reagieren. Wir erarbeiten gemeinsame Strategien, um vor Ort langfristige Verbesserungen zu erreichen und leisten so im Grunde nur Hilfe zur Selbsthilfe, damit unsere Partnerländer selbst für Sicherheit und Wohlstand sorgen können. Mittlerweile sind wir auf einem guten Weg hin zu einer echten „Internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung“.
Die Zusammenarbeit mit unseren weltweiten Partnern wird in Zukunft noch viel mehr geprägt sein von gegenseitigem Geben und Nehmen. Die Schwellenländer sind unsere Partner genauso wie die Zivilgesellschaft und die Privatwirtschaft.
Unser größter Partner aber ist für mich die Jugend!
Durch das weltwärts-Programm haben sie die einzigartige Möglichkeit, sich in Entwicklungsländern zu engagieren, um als Botschafter unseres Landes vor Ort zu leben und zu arbeiten und um sich auch nach ihrer Rückkehr in die Heimat für die Belange der Menschen in ihren Gastländern einzusetzen. Meine Informationsveranstaltungen zum weltwärts-Programm an Nürnberger Schulen stößt immer auf enormes Interesse und ich freue mich jedes Mal, wenn die jungen Menschen aus ihren Gastländern zurückkommen und Erfahrungen für das ganze Leben mitbringen.
In einer modernen internationalen Zusammenarbeit geht es um Erfahrungsaustausch und Arbeitsteilung – auch zwischen den verschiedenen Politikfeldern wie Energie- und Umweltpolitik, Außen- und Verteidigungspolitik, Gesundheits- und Bildungspolitik. Sie alle spielen vor Ort eine Rolle. Es wäre naiv zu glauben, dass die Entwicklungspolitik alles alleine schaffen kann. Wir sind auf die Erfahrungen anderer Länder und auf Finanzierungsmöglichkeiten neuer Geber angewiesen, wenn wir die Welt von morgen nachhaltig gestalten wollen.
Entwicklungszusammenarbeit muss Potentiale nutzen
Zu einer zukunftsfähigen internationalen Zusammenarbeit gehört für mich ganz besonders, dass wir unsere Arbeit kontinuierlich überprüfen und dass wir uns auch trauen, neue Wege zu gehen. Ich möchte deshalb in den kommenden vier Jahren verstärkt die Ergebnisse unseres neu gegründeten Evaluierungsinstitut für Entwicklungszusammenarbeit (DEval) in meine Arbeit einbeziehen: Welche Ansätze funktionieren gut und welche Mittel wurden wo effizient eingesetzt? Landwirte im Südsudan bestellen ihre Felder eben noch sehr traditionell, um nur ein Beispiel zu nennen – hochtechnisierte und teure Verfahren helfen hier nicht weiter, um den Hunger zu lindern. Auf diese ganz individuellen Anforderungen vor Ort müssen wir reagieren und das vorhandene Potential in den Ländern nutzen.
Meine Arbeitsschwerpunkte während der Legislaturperiode
In der kommenden Legislaturperiode möchte ich mich verstärkt für die Integration von Menschen mit Behinderung – hierzulande aber vor allem auch in Entwicklungsländern – einsetzen. Denn nur wirklich offene und tolerante Gesellschaften, in denen jeder Einzelne am gesellschaftliche Leben teilhaben kann und seinen Beitrag leistet, können langfristig wachsen und gedeihen.
Ich werde mich auch ganz besonders dafür einsetzen, dass wir die Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet, noch stärker in Entwicklungsprojekte integrieren. Afrika ist uns beim Einsatz von Handys und Internet im Alltag um einiges voraus – dort werden bereits heute 800 Millionen Mobiltelefone genutzt. 2017 könnten bereits 1 Milliarde Mobiltelefone in Afrika im Einsatz sein. Dort kann man seit vielen Jahren schon Rechnungen ohne Probleme über das sogenannte mobile banking, also über das Guthaben auf dem eigenen Handy, bezahlen und muss nicht weite, beschwerliche Wege zur nächsten Bank auf sich nehmen. Landwirte können über das Internet die aktuellen Preise für Getreide erfahren – der Markt wird so transparenter und keiner kann mehr leicht über’s Ohr gehauen werden.
Vor allem von meinen Aufenthalten in Tunesien und Ägypten habe ich die Erkenntnis mitgebracht, dass die sozialen Netzwerke Gold wert sind für politische Teilhabe und mehr Demokratie. In Tunesien haben Jugendliche in den letzten Wochen über Facebook eine Aktion gestartet, bei der sie sich selbst für politische Ämter bewerben und sagen, was sie so in ihrem Land anders machen würden. Sie finden Gehör und kein Politiker ist langfristig gegen diese Art der Mitsprache immun.
Die Liste unserer Aufgaben ist lang: Einige Länder – ich denke hier in diesen Tagen speziell an Syrien, Afghanistan und den Jemen – benötigen dringend unsere Unterstützung, damit sie langfristig nicht als gescheiterte Staaten enden und Jahrzehnte des Aufbaus im Land innerhalb weniger Jahre vollkommen zerstört werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in den Entwicklungsländern zu einer Selbstverständlichkeit wird. In diesem Jahr muss die Post-2015 Entwicklungsagenda auf den Weg gebracht werden und auch der Klimawandel verlangt unser ganz entschiedenes Handeln in Sachen Umwelt- und Naturschutz.
Nur wenn wir den Menschen vor Ort die Chance geben, sich ein Leben in Sicherheit und Wohlstand aufzubauen, geben wir ihnen Gründe zu Hause zu bleiben und die Zukunft ihres Landes mitzugestalten. Erst wenn die Flüchtlingsströme im Mittelmeer weniger werden, hat unsere Politik wirklich Erfolg gehabt. Und warum? Weil wir es dann durch unsere internationale, weltweite Zusammenarbeit geschafft haben, dass in den Schwellen- und Entwicklungsländern Chancen und Möglichkeiten entstehen, die die Jugend vor Ort davon überzeugt, dass sie zu Hause viel bewegen, sich ein Leben aufbauen und für sich viel erreichen können.
An die Arbeit!
Nachdem die Uhren im politischen Berlin in den vergangenen Monaten ein bisschen anders getickt haben, geht nun wieder alles seinen gewohnten Gang und ich freue mich auch wirklich auf die vor uns liegende Arbeit.
Der G8-Gipfel 2015 in Deutschland fällt in die Halbzeit der Großen Koalition. Wir sollten die Zeit bis dahin nutzen, wichtige Initiativen auf den Weg zu bringen und wir sollten die Entwicklungspolitik ganz oben auf die G8-Agenda setzen. Dies wäre ein wichtiges und richtiges Signal an alle unsere Partner in der ganzen Welt. Deutschland hat die Möglichkeiten, viel zu bewegen. Packen wir es also an!
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei meinen Kollegen in der CSU-Landesgruppe und bei den Mitgliedern im Ausschuss für das entgegen gebrachte Vertrauen bedanken!
Ich freue mich darauf, den AwZ für weitere vier Jahre zu leiten und in dieser Position wichtige Themen voran zu bringen.
Ich gratuliere Ihnen zur Wiederwahl als AwZ-Vorsitzende und möchte Ihnen Anerkennung zollen für diesen Beitrag hier im Blog aber vor allem auch Ihre engagierte Rede gestern im Bundestag mit Erwähnung der meisten wichtigen Aspekte für eine effizientere Entwicklungspolitik. Nur die Erwähnung der Millenniumsentwicklungsziele habe ich vermisst und die wichtige Rolle, die diese Bundesregierung in der Weiterentwicklung der Ziele zu einer wirklich nachhaltigen Entwicklungsagenda nach 2015 spielt – auch im Hinblick auf den G8-Gipfel im Sommer 2015 au Schloß Elmau in Oberbayern. Hier im Blogbeitrag haben Sie den G8-Gipfel als wichtigen Schwerpunkt Ihrer Arbeit prominent erwähnt, in Ihrer Rede gestern leider nicht.
Mit Ihnen als Fränkin und dem Allgäuer Gerd Müller und jetzt sogar noch die beiden bayrischen Grünen im AwZ, Claudia Roth und Uwe Kekeritz, sind aus meiner (oberbayrischen) Perspektive eigentlich beste Voraussetzungen für eine Aufwertung der Entwicklungspolitik gegeben, oder? Ich wünsche Ihnen dafür viel Erfolg, hoffe auf eine gute Zusammenarbeit und bin erstmals seit Jahren wieder guten Mutes.
MfG, Vincent Gründler (Das Hunger Projekt e.V.)