Archivinhalt


Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.
Meinen aktuellen Webauftritt finden Sie unter www.dagmar-woehrl.consulting



Nürnberg, es war mir eine Ehre!

Liebe Nürnbergerinnen und Nürnberger,
liebe Politik-Nerds,

Hello

wer mich als politische Person begreifen will, muss verstehen, dass ich wohl nie die typische CSUlerin war. Ich bin kein Parteigewächs, habe die Ochsentour aus Schüler Union, RCDS und Junger Union nie gemacht. Ich war eine Quereinsteigerin – für manche in der Partei eine frische Abwechslung, für andere blieb ich immer fremd.
Ich habe meine politischen Entscheidungen stets mit bestem Wissen und Gewissen getroffen, aber eben manchmal auch nicht innerhalb der Parteilinie. Bei meiner Haltung zur Griechenlandabstimmung (#nein), zur Flüchtlingsfrage (#teammerkel), zur Gleichstellung (#füralle), zu Acta (#nein) oder zum Tierschutz (#mehr) habe ich gelernt, dass deine Courage getestet wird, wenn du in der Minderheit bist. Deine Toleranz hingegen wird geprüft, wenn du in der Mehrheit bist. Beides sind für Politiker wichtige Erfahrungen. Es ist aber besser für einen Tag eine Löwin zu sein, als ein Schaf sein ganzes Leben lang.

Dagmar-Woehrl-Collage-Karriere

Million Years Ago

Deshalb war ich im Jahr 1990 sehr überrascht, als ich die Anfrage aus der CSU bekam, ob ich für den Nürnberger Stadtrat kandidieren möchte. Erst bei erneutem Nachfragen habe ich gemerkt, dass es der Partei ernst damit war. Bei der Rücksprache mit meinem Mann Hans Rudolf reagierte er völlig anders, als ich erwartet hatte. Ich dachte, er sagt: „Was willst Du denn? Jetzt bist Du Volljuristin und baust gerade deine Anwaltskanzlei auf, dazu ein kleines Kind, und jetzt soll es in die Politik gehen?“ Stattdessen meinte er aber: „Wir haben ein Unternehmen und damit auch eine Verantwortung der Stadt und ihren Menschen gegenüber. Man darf nicht nur meckern, man muss auch etwas tun.“ Wenn ich beispielsweise an die Diskussionen im Netz im letzten Jahr rund um die Flüchtlingsfrage denke, hat die Aussage meines Mannes von damals nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Engagement ist allemal besser als Frustration und Bequemlichkeit.

Hometown Glory

Also habe ich meine damalige Lebensplanung über den Haufen geworfen und für den Stadtrat in Nürnberg kandidiert. Es klappte auf Anhieb mit der Wahl und ich wurde wohnungspolitische Sprecherin.

1994 habe ich dann erstmals für den Deutschen Bundestag kandidiert. Gleichzeitig begann mein Dauer-Battle mit meinem geschätzten SPD-Kollegen Günter Gloser um den Wahlkreis Nürnberg-Nord. Im Bundestag wurde ich Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Als Frau war ich dort damals noch eine Exotin. Schnell wurde ich auch Landesschatzmeisterin der CSU und bin so in die Herzkammer der Partei vorgerückt. Gern erinnere ich mich an diese spannende Zeit mit Theo Waigel, Edmund Stoiber und Helmut Kohl zurück. Letztlich war ich dann knapp 20 Jahre im Parteivorstand und Präsidium der CSU.

Als im Jahr 2005 CDU und CSU mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder die Regierungsverantwortung übernahmen, wurde ich als Parlamentarische Staatssekretärin ins Bundeswirtschaftsministerium berufen. Es war eine intensive Zeit mit Michl Glos als Minister und eine turbulente mit KT zu Guttenberg…

Seit 2009 bin ich nun Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Wie es sich herausstellen sollte, wurde dieses Amt zu meinem politischen Traumjob. Was ich besonders an der Entwicklungspolitik schätze, ist, dass wir in der Regel eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg haben. Es geht darum, Entwicklungen zu antizipieren, politisch zu agieren und nicht immer nur zu reagieren.

When We Were Young

Nach dem einen oder anderen Glas Rotwein komme ich in meinem Alter schon einmal ins Grübeln (Ich habe übrigens noch nie von einem erfolgreichen Mineralwassertrinker gelesen): Wie soll es eigentlich weitergehen? Noch einmal vier Jahre in der Politik? Oder doch als Silver Surferin bald die Rente genießen? Letzteres habe ich schnell wieder verworfen, denn dafür verspüre ich noch zu viel Energie und Tatendrang in mir.

Politik füllt ein Leben aus, erfüllt es aber nicht dauerhaft. Deshalb möchte ich mich im nächsten Lebensabschnitt einer neuen Herausforderung widmen und werde im Herbst 2017 nicht mehr für den Deutschen Bundestag kandidieren.  Mein geliebtes Nürnberg, es war mir eine Ehre!

Natürlich werde ich mein Amt als Bundestagsabgeordnete und als Vorsitzende des Entwicklungsausschusses verantwortungsbewusst mit vollem Elan und Begeisterung bis zum Ende der Legislaturperiode fortführen. Der Kalender ist bis dahin sowieso schon randvoll und einige wichtige Projekte möchte ich für Nürnberg noch verwirklicht wissen.

Rumor Has It

Ich habe in all der Zeit als Bundestagsabgeordnete sicherlich nicht alles richtig gemacht, Fehlentscheidungen getroffen oder manchmal auch zu lange keine Entscheidung getroffen. Für diejenigen, die mit meiner Arbeit nicht zufrieden waren, bietet mein Abschied vielleicht eine gute Gelegenheit, mir zu verzeihen. Ich weiß, dass der Ruf für 1.000 Jahre durch die Handlung einer Stunde bestimmt werden kann.

Bei denjenigen, die mich immer unterstützt haben, möchte ich mich für das Vertrauen von ganzem Herzen bedanken. Ich durfte so viele wunderbare Persönlichkeiten kennen lernen, wie man es in einem Leben gar nicht verdient hat. Der Umgang mit so vielen unterschiedlichen Menschen hat mich stets neugierig auf Neues gemacht und jung gehalten. Auch deshalb sitze ich wohl gerade hier und blogge diese Zeilen…

Best For Last

Dass ich nach einem so bewegten und erfüllten Leben in der Politik nicht einfach zu Hause bleiben kann und still halte, wissen alle, die mich kennen. Wahrscheinlich fürchten mein Mann und mein Sohn auch nichts Schlimmeres, als das. ☺

Ich möchte mich weiterhin aktiv in die Gesellschaft einbringen und mich auf jeden Fall in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren. Deshalb werde ich mich zum einen meiner eigenen Stiftung, der Emanuel Wöhrl Stiftung, widmen. Zum anderen werde ich im Juni für das Komitee von UNICEF Deutschland kandidieren, um mich weiterhin für Kinder in Not einsetzen zu können. Auch im Tierschutz fallen mir noch so viele Themen ein, die gelöst werden müssen, dass ich das „Mehr an Zeit“ hierfür gut gebrauchen kann. Alles Weitere wird sich zeigen.

Weiterhin freue ich mich sehr auf freie Wochenenden, an denen ich regelmäßig unseren Club in der ersten (!) Bundesliga und die Ice Tigers spielen sehen möchte. Und mein Lebenstraum, einmal die Leiche im Franken-Dadord zu sein, steht ja auch noch aus.

Ihr seht, es wird noch viel kommen! Eine Türe schließe ich. Ich freue mich aber auf alle, die sich dadurch öffnen werden.

Sweetest Devotion

Natürlich muss ich an dieser Stelle noch „Danke“ sagen. All diejenigen, die ich jetzt vergesse, mögen es mir schon einmal verzeihen…

Zu allererst geht mein aufrichtiger Dank natürlich an meine Wählerinnen und Wähler, die mir im roten Nürnberg doch immer das Vertrauen geschenkt haben und für die ich all die Jahre die fränkische Flagge in Berlin hochhalten durfte. Der Wahlkreis Nürnberg-Nord ist eine wunderbare Mischung aus urbaner Großstadt und ländlicher Prägung durch das Knoblauchsland. Mir war es immer wichtig zu zeigen, dass man auch als CSU-Abgeordnete Großstadt kann.

Ich bedanke mich bei meinen Kollegen und Parteifreunden für die spannende Zeit und die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Natürlich hoffe ich, dass es in der CSU Nürnberg auch nach mir eine Frau mit Bundestagsmandat geben wird. Denn etwas weibliche Intuition steht unserem Nürnberg ganz gut. Schließlich wusste schon Margret Thatcher: „Wenn Sie in der Politik etwas gesagt haben wollen, fragen Sie einen Mann. Wenn Sie etwas getan haben wollen, fragen Sie eine Frau.“

Mein Dank geht auch an meine Mitarbeiter, die mich all diese Jahre unterstützt haben. Besonders möchte ich mich bei Frau Singer und Krassi, die mir in meiner Anfangszeit zur Seite standen, bedanken sowie bei meiner Petra und meinem Flo, die mit mir in den vergangenen Jahren durch Dick und Dünn gegangen sind. – It was a hell of a ride!

Und vor allem geht mein Dank an meine Familie und meine Freunde, für die ich künftig hoffentlich wieder mehr Zeit haben werde.

An meinen Mann:
Hans Rudolf, danke, dass Du mich immer bei all meinen Entscheidungen unterstützt hast. Du hast schnell gelernt, dass es oft ratsam ist, Deiner Frau nicht zu widersprechen. Du wartest lieber, bis ich das selbst mache. Aber wir beide wissen, dass eine gute Ehe aus einer besseren und aus einer stärkeren Hälfte besteht.

An meine Söhne:
– Marcus, ich bin so stolz auf Dich und was Du in Deinen jungen Jahren schon aufgebaut hast. Du sollst nur wissen, dass ich immer für Dich da sein werde und als Oma in spe bereit stehe…
– Manu, ich hoffe, Du bist da oben stolz auf Deine Mama…

Und natürlich – last but not least – ist da noch meine wunderbare Mutti, die mir nicht nur das Leben selbst geschenkt hat, sondern anscheinend auch die Gene für ein langes.

Turning tables

Jetzt war ich so viele Jahre in der Politik und dann war es doch zu kurz und gleichzeitig auch zu lang.

Auf Wiedersehen!

Eure

Dagmar Wöhrl

Dagmar Wöhrl, Nürnberg Burg

PS: Zu meinen Zwischenüberschriften:
Es lässt sich schlicht einfacher mit Adele über das Leben schreiben…

7 Gedanken zu „Nürnberg, es war mir eine Ehre!

  1. Jürgen Bauer

    Ich gratuliere ihnen schon mal zur ihrer persönlichen und interessanten Art des Abschieds. Solche Einblicke gewährt man wenn einen etwas tief bewegt. Das Thema Flüchtlinge jenseits der CSU – Besuch bei Flüchtlingen bevor es Dauerthema wurde – das Treffen mit dem Dalai Lama als viele andere keine Zeit hatten oder haben wollten. Genießen sie die Veränderung, die (mehr) Zeit mit ihrer Familie und die neuen spannenden Herausforderungen.

    Gruß von Nürnberg nach Nürnberg
    Jürgen Bauer

    Antworten
  2. Matthias Hendel

    Toll geschrieben! Sie haben Rückgrat! Und das nach so vielen Jahren Politik! Sie haben meine Hochachtung, sehr gern möchte ich Ihnen alles Gute für die Zukunft wünschen. Möge alles das, was sie anpacken wollen, bestens gelingen!

    Antworten
  3. Karin

    Hallo Frau Wöhrl,
    Hut ab, daß Sie nicht an Ihrem Posten kleben.
    Sie wissen, daß es gut ist aufzuhören wenn es am Schönsten ist.
    das Leben hat so viele Möglichkeiten etwas zu bewegen und Gutes zu tun.
    Weiter so.
    Alles Gute und gutes Gelingen für die Dinge die Sie jetzt in Angriff nehmen.

    Antworten
  4. Thilo Dahnke

    Liebe Dagmar,

    vielen Dank für die jahrelange tolle Zusammenarbeit und ich freue mich wenn wir auch nach Deiner Bundestagstätigkeit – vielleicht beim Club in der 1.Liga ;-)) – einen Wein oder ein Bier zusammen trinken können. Viel Glück für die Zukunft und die versprochene CD wird am Wochenende gebrannt :-)

    Antworten
  5. Claus Penno

    Quereinsteiger

    Liebe Frau Woehrl,

    meine Frau Sabine und ich Sind seit 2012 Mitglieder in der CSU. Wir sind die Basis.
    Finde es gut das es so gute Moeglichkeiten für Quereinsteiger gibt.
    Es gibt weiter viel zu tun in Nürnberg und in Deutschland.
    Ihnen viel Erfolg in der neuen Aufgabe.
    VG Claus Penno

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert