Was Familien für unsere Gesellschaft leisten, lässt sich nur begrenzt in Euro und Cent beziffern. In der Familie übernehmen Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander. In der Familie erfahren Kinder, was Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft bedeuten. Familien schenken Halt und Geborgenheit, sie vermitteln Werte, Lebensklugheit und Herzensbildung, und wenn es schwierig wird, können die meisten Menschen auf ihre Familie zählen. Kein Wunder also, dass für mehr als drei Viertel der deutschen Bevölkerung Familie im Mittelpunkt des Lebens steht und damit deutlich wichtiger ist als Freunde oder der Beruf.
Die Werte zu schützen, die Familie so wertvoll für unsere Gesellschaft machen, ist mein Ziel als Bundesfamilienministerin. Dabei helfen mir die Werte, die ich von zuhause mitbekommen habe. Ich durfte in einer Familie aufwachsen, in der Liebe, Verantwortung, Vertrauen und Solidarität immer getragen haben und bis heute tragen. Auf meine Familie kann ich zählen, was immer passiert – gerade auch jetzt, wo ich als berufstätige Mutter einer kleinen Tochter dankbar dafür bin, dass unsere Familien uns so sehr unterstützen.
Ich möchte Menschen mit meiner Politik die Unterstützung, aber auch die Freiheit geben, die sie brauchen, um ihrer Verantwortung für ihre Familie gerecht zu werden. „Familie zuerst!“ ist deshalb mein Gestaltungsanspruch für eine familienfreundliche Gesellschaft. Frauen und Männer in Deutschland sollen es sich leisten können, ihrer Familie den Stellenwert im Leben einzuräumen, den sie aus ihrer Sicht verdient – und zwar auch und gerade dann, wenn sie berufstätig sind. Dazu will ich mit meiner Familien- und Gesellschaftspolitik beitragen.
Wichtig sind mir deshalb grundlegende Veränderungen in unserer Arbeitswelt. Ich halte es für einen Fehler, immer nur zu fragen, wie man Familie vereinbar mit dem Berufsleben macht. Das „Vereinbarkeitsproblem“ bleibt dadurch ein Problem der Frauen – und die Antwort heißt schlicht: mehr Kinderbetreuung. So wichtig es ist, dass alle Eltern, die sich einen Kita-Platz für ihr Kind wünschen, auch einen Kita-Platz bekommen: Eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie zum Wohl aller Familienmitglieder erfordert weit mehr als den Ausbau der Kinderbetreuung. Ob Familien zusammen halten, ob Eltern und Kinder füreinander da sein können, ist in erster Linie eine Frage der Zeit. Als „Taktgeber“ des Alltags von Familien und damit auch von Kindern spielt die Arbeitswelt eine wichtige Rolle für die Qualität des Familienlebens, für die Zufriedenheit von Eltern und für die Betreuungsqualität zuhause. Wir brauchen familiengerechte Arbeitsplätze – keine arbeitsplatzgerechten Familien. Unsere Arbeitswelt muss familienfreundlicher werden, damit unsere Gesellschaft familienfreundlicher wird.
Zeit für Verantwortung brauchen nicht nur Mütter und Väter. Zeit für Verantwortung brauchen auch – und immer öfter! – pflegende Angehörige. Die meisten von ihnen sind berufstätig und bringen große Opfer, um einen geliebten Menschen pflegen zu können. Viele überschreiten dabei die Grenzen ihrer Belastbarkeit, können aber im Beruf nicht einfach pausieren. Die Familienpflegezeit, für die ich erfolgreich gekämpft habe, gibt ihnen künftig die Möglichkeit, Pflege und Beruf zu vereinbaren und ohne allzu große Gehaltseinbußen bis zu zwei Jahre lang beruflich kürzer zu treten.
Umfragen zeigen, dass eine breite Mehrheit der Menschen in unserem Land bereit ist, für ihre Angehörigen da zu sein, wenn diese ihre Hilfe am meisten brauchen. Gleichzeitig wollen die meisten pflegebedürftigen Menschen so lange wie möglich im vertrauten Umfeld bleiben. Genau das ist der familiäre Zusammenhalt zwischen den Generationen, den wir uns für unsere Gesellschaft nur wünschen können: Menschen, die sich aufeinander verlassen, und die füreinander Verantwortung übernehmen. Deshalb war es mir wichtig, die große Bereitschaft der Menschen, für ihre Familie da zu sein, in politische Antworten auf die steigende Zahl pflegebedürftiger Menschen einzubeziehen. Mit der Familienpflegezeit stützen wir Familie als Verantwortungsgemeinschaft. Das unterscheidet uns von anderen Parteien, die Fürsorgeaufgaben – egal ob es um Kinder oder ältere Menschen geht – zuallererst an staatliche Einrichtungen delegieren.
Familienpolitik im Zeichen des ,C‘ ist eine Politik, die Verantwortungsfähigkeit fördert. Dazu gehören politische Maßnahmen wie die Familienpflegezeit, die Zeit für Verantwortung ermöglichen. Dazu gehört eine Arbeitswelt, deren Kultur geprägt ist vom Respekt vor dem Familienleben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nicht zuletzt gehört dazu aber auch ein gesellschaftliches Klima der Akzeptanz für die Vielfalt unterschiedlicher Familienmodelle. Denn Mut und Lust auf Familie entstehen nur dort, wo Eltern und Kinder Wertschätzung erfahren, unabhängig davon, wie sie leben.
Dr. Kristina Schröder MdB
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Gastbeitrag, 28. August 2013