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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.
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Schwester Teresa: Sei gegrüßt Papst Franziskus

Schwester-Teresa-Gastbeitrag-Dagmar-WoehrlGott muss Dich geschickt haben, und ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich über Dich freue. Als die SMS kam, dass weißer Rauch aus dem Kamin am Petersplatz hinaufgestiegen ist und Du der neue Papst geworden bist, war ich unterwegs auf einer Vortragstour und saß gerade beim Essen.

„Wir haben einen neuen Papst“, las ich da, „einen Papst der Armen“. Dieser Nachsatz von meiner Cousine ließ mir die Tränen in die Augen schießen. Ich schaute Pfarrer Franz an und wir waren sprachlos. So schnell hatten wir nicht damit gerechnet, wirklich nicht, aber der Hl. Geist ist doch immer für eine Überraschung gut.

Ich ärgerte mich, nicht irgendwo zu sein, wo es einen Fernseher gab. Mein Handy hatte fast keinen Saft mehr, und mein guter Franz lief ständig zum Auto, um es aufzuladen, damit wir wenigsten ein paar Bilder aufschnappen konnten. Und es dauerte. Wir hingen an diesem kleinen technischen Gerät und warteten wie die versammelten Menschenmassen auf dem Petersplatz und mit ihnen die ganze Welt gebannt darauf, wer denn da die Bühne der Weltkirche betreten würde.
So väterlich, fast schmunzelnd betratest Du die Loggia, und Du warst so schlicht, so freundlich, so normal. „Guten Abend“, sagtest Du und hattest die Herzen von Millionen Menschen gewonnen.

Ja, Du hast mich berührt, mit allem, was Du die nächsten Stunden, Tage und Monate tatest. Wie freute ich mich, wenn Freunde fast täglich auf Facebook Deine neuesten Taten, Gedanken oder Worte posteten – noch größer war meine Freude allerdings, wenn dies Leute taten, von denen ich wusste, dass sie gar nicht so gläubig waren oder nicht zu unserer Kirche gehörten. Wie ein Kind klatschte ich in Gedanken in die Hände, wenn ich sah, wie Du den Daumen hochhieltest, ein Kind liebevoll segnetest oder einen behinderten Menschen umarmtest, wie Du Dich bei Journalisten bedanktest und auf allen Glamour und alle Äußerlichkeiten verzichtetest! Und ich tanzte, als Du verkündetest:

„Um es klar zu sagen: Der Heilige Geist ist für uns eine Belästigung. Er bewegt uns, er lässt uns unterwegs sein, er drängt die Kirche, weiter zu gehen. Aber wir sind wie Petrus bei der Verklärung, ‚Ah, wie schön ist es doch, gemeinsam hier zu sein.’ Das fordert uns aber nicht heraus. Wir wollen, dass der Heilige Geist sich beruhigt, wir wollen ihn zähmen. Aber das geht nicht. Denn er ist Gott und ist wie der Wind, der weht, wo er will. Er ist die Kraft Gottes, der uns Trost gibt und auch die Kraft, vorwärts zu gehen. Es ist dieses ‚Vorwärtsgehen’, das für uns so anstrengend ist. Die Bequemlichkeit gefällt uns viel besser.“

Weißt Du, wie lange wir schon auf solche Worte gewartet haben? Auf solche Gesten und so einen herrlich erfrischenden Wind in unserer verstaubten, müden Kirche? Wie innig bete ich für Dich und wünsche Dir Kraft, durchzuhalten.

Ich wünsche Dir und mir, dass dieser Geist Gottes nicht nachlässt, uns immer wieder darauf hinzuweisen, wofür unser Herr die Kirche der Welt geschenkt hat. Ich wünsche Dir die Freiheit, Deinen Weg zu gehen, immer ungeschminkt zu sagen, was Dir auf dem Herzen liegt – und ich habe den Eindruck, Gott hat Dir eine Menge auf‘s Herz gelegt, was er schon lange einmal ansprechen wollte.

Ja, ich komme gar nicht mehr raus aus dem Staunen, wie Du unbeirrt Deinen Weg zu den Ärmsten und Ausgestoßenen gehst und uns alle schmerzlich daran erinnerst, dass wir nicht länger wegschauen dürfen: nicht von den Flüchtlingen, den Drogenabhängigen, den zu Tode gequälten und bedrohten Menschen.

Du hast mit der Jugend in Brasilien getanzt und so viele Kardinäle und Bischöfe dazu gebracht zu tanzen, dass es mir ganz schwindelig wurde, denen wahrscheinlich auch. Auf jeden Sicherheitsabstand hast Du verzichtet, und ich kann mir schon vorstellen, dass Deine Schweizergarde ins Rotieren kam, weil Du auf die Menschen zugingst, spontan, ungeplant, herzlich.

Stundenlang hörtest Du Dir die Sorgen der Menschen an, warst nie in Eile und hast jedem Deine kostbare Zeit geschenkt. Mein Gott, und wie war ich bewegt, als Du auf Homosexuelle angesprochen wurdest und sagtest: „Wer bin ich, sie zu verurteilen?“

Lieber Papst Franziskus, ich kann Dir für diesen Satz gar nicht genug danken, der wie Balsam für Menschen war, die immer nur das Gegenteil von unserer Kirche gehört haben. Du beschönigst nichts, aber Du machst Schluss mit dem Größenwahn der Diskriminierung von Menschen. Dich muss man einfach gern haben, und man nimmt Dir ab, was Du sagst, weil Du genau das lebst, wofür Du einstehst, sodass selbst die kritischsten Kirchengegner zahm werden.

Es ist herrlich, Dich lachen und schmunzeln zu sehen; es ist bewegend zu beobachten, wie Du Dich gegen einen Einmarsch in Syrien eingesetzt hast, und Deine Idee ist wunderbar, ungenutzte Häuser der Ordensgemeinschaften für Flüchtlinge zu öffnen. Wieso ist keiner zuvor darauf gekommen? Und dass Du Menschen einfach mal so anrufst, ist unglaublich liebenswert. Natürlich musst Du verstehen, dass sie erst mal erschrecken oder glauben, im falschen Film zu sein. Bisher hat das eben noch kein Papst gemacht. Mach weiter so!

Und während ich fortfahren könnte, Deine wohltuende Art und Dein frohmachendes Wesen zu beschreiben, so sitzt mir doch auch die Sorge um Dich im Nacken. Wenn Du diesen Weg so konsequent weitergehst, wirst Du sicher vielen unbequem werden, wirst für manche zu anstrengend und zu fordernd, hast Dir bisher sicher nicht nur Freunde, sondern auch so manchen Gegner gemacht. Deshalb will ich nicht so naiv sein, zu meinen, es wird schon gut gehen, sondern ich möchte meinen Teil dazu beitragen.

So bete ich ganz innig für Dich, dass Du genügend Menschen in Deiner unmittelbaren Nähe hast, die Dich unterstützen, Dich tragen, Dich beschützen. Ja, ich bete zu Gott, dass es ja niemandem einfällt, Dich zu stoppen oder Dir etwas anzutun. Dass Er Dich jeden Tag mit neuer Kraft und neuem Mut beseelt, Deinen eigenen Weg zu gehen und unsere Kirche in eine Zukunft zu führen, in der alle Menschen immer mehr zusammenwachsen können, dass sich alle, die sich „draußen“ fühlen, als Eingeladene verstehen. Dass „wir unten“ Deinem Beispiel folgen, die Türen noch weiter aufstoßen und anfangen, auf die Menschen zuzugehen und beginnen, die Verstoßenen zu suchen. Dass das Gejammer über uns selbst aufhört und es keine Sitzungen mehr gibt, in denen nur darüber geredet wird, was wir tun müssten, anstatt zu handeln, wo es notwendig ist.

Beflügelt von Deinem Beispiel möchte ich überlegen, was ich zu viel habe und was ich abgeben kann. Ich möchte die „Armen“ meiner Umgebung suchen und nicht müde werden, Deinem Beispiel an Toleranz und Offenheit zu folgen. Lieber Papst Franziskus, bitte räume auf im Vatikan mit all den Geschichten, von denen wir fürchten, sie könnten wahr sein und nicht nur ein Gerücht. Räume auf mit Vorurteilen, dass sich in unserer Kirche nichts bewegt. Räum den Staub aus unserem Denken, aus den Kirchen und Kapellen und lass uns wieder eine Kirche der Freude und Hoffnung für die Menschen sein. Misch Dich ein mit Deiner milden, warmen Art an den Brennorten der Welt, vor allem jetzt in Russland und der Ukraine, dass wir in Liebe und mit Vernunft diese Krise bewältigen.

Deine kleine Schwester Teresa, die Dich gern selber einmal drücken möchte.

Gastbeitrag von Schwester Teresa
03. April 2014

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